Halleluja

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Das Leben, hat Schiller geschrieben, ist der Güter höchstes nicht. Na, na! Sondern ?Man hat uns vor nicht langer Zeit einmal gesagt :Wenn wir den Krieg verlieren ,lohnt es sich nicht mehr zu leben. Wir Überlebenden müssen es doch nun wissen :lohnt es sich? Ich frage Sie: Lohnt es sich?
Wieviel Koteletts mit Bratkartoffeln haben wir seitdem gegessen, wie viele Weinchen getrunken ,wie viele Filme gesehen, wie oft geliebt? Lohnt es sich, ich frage Sie? Dieser Schiller mit seinen Sentenzen!
Die Franzosen verloren die Schlacht um Quebec; die meisten fielen, auch Montcalm. Wieviel hätte er noch erleben können, wie viel Entrecotes verputzen! Wieviel Borscht und Sonnenblumenkerne hätten die Verteidiger von Leningrad noch essen können. Aber auch sie sagten: „Das Leben ist der Güter höchstes nicht, der Übel größtes aber ist die Schuld."

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Es gibt zum Lobe und zur Verteidigung der Demokratie drei landläufige Antworten,die je nach dem Intelligenzgrad wie aus der Pistole geschossen kommen.
Da ist zuerst die Antwort, die der französische Gelehrte und Philosoph des 17.Jahrhunderts,Descartes;anbietet:"Der gesunde Menschenverstand ist diejenige Sache in der Welt, die am besten verteilt ist".
Er glaubte also, daß jeder Mensch in den grundsätzlichen Lebensfragen ein gewisses Maß an gesunden, gutem Urteil hat.
Dem widerspricht der Augenschein an allen Ecken und Enden. Die Welt, die ja aus nichts anderem als aus lauter Descatesschen Menschenkindern besteht, befindet sich zum überwiegenden Teil in völliger Unordnung vom Staat bis zur Familie herunter.
Descartes gibt zu, daß er einschränkend nur diejenigen meint, die unverbildet sind und ein gesundes Empfinden haben. Damit hebt er aber seine allgemeine Behauptung leider auf und macht sie wertlos. Denn daß Menschen mit gesundem Urteil ein gesundes Urteil haben, ist keine großartige Erkenntnis.
Der große Philosoph des alten Griechenland, Aristoteles, hat dagegen in seiner Schrift "Politik" gesagt: Da es für die Demokratie wesentlich ist, daß völlige Gleichberechtigung herrscht, und da es hierbei allein um die Zahl, die Quantität, und nicht mehr auf Qualität ankommt, ist die Folge, daß die beschränkten und Unwissenden mehr Stimmen zusammenbringen als die Kritischen und Erfahrenen. Heute kommt noch die ungeheure Macht der Massenmedien hinzu, die durch Manipulieren von Nachrichten, ja, allein schon durch geschicktes Präsentieren von "photogenen" Gesichtern die Masse des Volkes dirigieren können. Das gefundene Fressen für sie sind die Denkfaulen und die rührend Gutgläubigen. In der Demokratie Italien, hochgeachtetes Mitglied der demokratischen europäischen Gemeinschaft, ist auf vielen staatlichen Formularen heute noch, 1977, die Rubrik fest eingedruckt: Analphabeten müssen ihr Kreuzzeichen von zwei Zeugen bestätigen lassen!



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Sie konnten nun alle guten Mutes loslegen mit der amerikanischen Tüchtigkeit und abends nach kurzem Dankgebet , oder auch ohne , sich die Bettdecke ans Kinn ziehen und pennen .
So ist es bis heute geblieben . Seitdem ist „Erfolg" für sie gleich „Glück" . Erfolg ersetzt ihnen alles . Das Glücksgefühl des Abendlandes ist ihnen nicht mehr verständlich.
Wie Sie bemerkt haben werden , ist die schillerndste Blüte an dem Jamesschen Pragmatismus die „ Freiheit". Denn die Lossage von der alten Ethik , die Lossage von der idealistischen Gesellschaftsverpflichtung , die Lossage von den Kategorien des Denkens ( Kant : Quantität , Qualität , Relation , Modalität ), die Lossage vom seelischen Bereich - das alles ist ja nur die bunte Verpackung für das Wort „frei" . Los besagt ja nichts Geringeres als frei werden . James war es , der leugnete , daß „ los" auch Verlust bedeuten kann . Für ihn nie . Und das ist ein krankhafter Zug .
Man kann , um ein drastisches Beispiel zu geben , auch Geld los werden , also vom Gelde frei werden .Verstehen Sie , daß ich das Wort „ frei" schillernd nannte ? Das Wort hat nicht , wie die Ideologen lehren , a priori einen Heiligenschein . Es kommt einem der schwere Verdacht , daß der Mensch durchaus nicht immer von allem „frei" sein will , sondern nur von Dingen , die ihm nicht in den Kram passen . Daraus ergibt sich eine Erkenntnis , die von allen Hirnlosen mit großem Bedauern vernommen werden wird , nämlich die Erkenntnis , daß das Wort „ Freiheit" zwar etwas aussagt , aber verschweigt , wovon . Es ist ein Wort wie „Wetter". Gefällt Ihnen Wetter ? Das kommt darauf an , nicht wahr ? Eben .
Die Benutzung des Wortes Freiheit geschieht fast immer in Form einer Parole ; einer Fanfare .
Sie hat eine gefährliche Faszination . Es sind meistens Verführer , die sie benutzen , und Dummköpfe , die sie inhalieren .
William James war natürlich kein Dummkopf , er schluckte die Pille ja auch nicht , sondern er drehte sie . Für den neuen Menschentyp , den Amerika repräsentierte , war das Wort Freiheit Opium .
Natürlich , der Amerikaner hätte durchaus sagen können , worin er zum Beispiel freier war als ein Preuße , aber dies oder ähnliches war es nicht , womit er den Begriff Freiheit füllte ; nein , " Freiheit" wurde für den Amerikaner die Geliebte , auch wenn sie ihn fortgesetzt betrog und zum lächerlichen "Professor Unrat" machte .
1886 stellten die Amerikaner dieser Hure zu Ehren vor der Hafeneinfahrt von New York eine Riesenstatue auf , die ihnen Frankreich geschenkt hatte und die , da die Franzosen Scherzbolde sind , innen hohl ist .